Jahresrückblick 2002


Veröffentlicht am 20.02.2003 in der Kategorie Umweltgeschichte von Axel Mayer

Umweltpolitischer Jahresrückblick 2002


Jahresrückblick 2002
An die südbadischen Medien

Mit diesem Schreiben und dem zwangsläufig unvollständigen, kurzen Jahresbericht wollen wir noch einmal an einige wichtige regionale Umweltthemen des vergangenen Jahres erinnern. Einige dieser vom BUND aufgegriffenen Themen werden uns sicher auch in diesem Jahr beschäftigen.

Im Jahr 2002 stand das Umweltthema - trotz Hochwasser und Tankerunglück - nicht im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Umso mehr freuen wir uns über kleine und große Erfolge unserer Umwelt- und Naturschutzarbeit in der Regio.

Gericht setzt in Sachen Kalihalde Buggingen das Verursacherprinzip durch

Wer an einem kalten Wintertag Salz streut, muss mit einem hohen Bußgeld rechnen. Gleichzeitig versickern an der Abraumhalde, dem "Kalimandscharo" in Buggingen, jährlich etwa 4200 Tonnen Salz ins Grundwasser. Aus diesem Grund hat BUND Geschäftsführer Axel Mayer am 22.12.1997 Strafanzeige gegen den Großkonzern Kali Salz AG erstattet. "Es kann nicht angehen, dass kleine Umweltsünder bestraft werden und die großen Grundwasserverschmutzer ungestraft davonkommen" stand in der Begründung der BUND-Anzeige. Die Freiburger Staatsanwaltschaft ermittelte und die Ermittlungen führten zur größten Hausdurchsuchung und Beschlagnahmeaktion in der Geschichte des Freiburger Wirtschaftskontrolldienstes. Die Kali und Salz AG reagierte mit einer Gegenklage gegen die Behörden, welche die Ablagerungen genehmigt hatten. Im November 2002 setzte jetzt das Verwaltungsgericht Freiburg das Verursacherprinzip durch. Die Kosten für die Sanierung der Kalihalde in Buggingen hat die Kali und Salz AG zu tragen und nicht wir SteuerzahlerInnen.

Giftmülldeponie Stocamine und Rhodia

Eine Skandalgeschichte ohnegleichen hat sich im Jahr 2002 im Elsass abgespielt:

Stocamine

Im Jahr 1998 wurde gegen den heftigen Protest französischer Umweltschützer und des BUND die größte französische Giftmülldeponie Stocamine im elsässischen Wittelsheim in Betrieb genommen. Unsere damaligen Warnungen vor möglichen Wassereinbrüchen und Bränden wurden nicht ernst genommen, denn laut Betriebsleitung sollten ja nur absolut unbrennbare Gifte eingelagert werden.

Im September 2002 bemerkten dann die Bergleute der benachbarten Kaligrube giftigen Rauch. Sie verließen das Bergwerk, das dann auch geschlossen werden musste, denn das "Unmögliche" war eingetreten. Der laut Werksleitung "absolut nicht brennbare Giftmüll" brannte über Wochen. Der BUND schenkte der Stocamine daraufhin in einer symbolischen Aktion einen Rauchmelder, denn solche Sicherheitsvorkehrungen waren in der größten Giftmüllgrube Frankreichs nicht vorgesehen.

Rhodia

Am 17.12.02 meldete der Chemiekonzern Rhodia in Chalampé, direkt neben der badischen Kleinstadt Neuenburg gelegen, den Behörden einen "kleinen" Störfall. Cyclohexan, ein Lösungsmittel, sei in kleinen Mengen ausgetreten. Ein Rhodia-Mitarbeiter meldete dann heimlich den Medien, 30 Tonnen seien versickert. Nach heftigen Reaktionen von BUND und französischen Umweltgruppen wurde nach und nach die unglaubliche Dimension des Skandals deutlich. Erst wurden 400 Tonnen zugegeben, später gingen die Behörden davon aus, dass 1200 Tonnen Cyclohexan ausgetreten waren. Das entspricht dem Inhalt der Kesselwagen eines 300 Meter langen Zuges. Und das in einem Betrieb, der stündlich 28 Tonnen Blausäure produziert. Ein Funke hätte zu einer Katastrophe führen können. Gemeinsam mit Alsace Nature verstärkten wir den Druck auf die Firmenleitung, um endlich Sicherheit für die Menschen der Umgebung zu erreichen. Nur durch solchen Druck wird bei Firmen wie der Rhodia der technische Fortschritt in Sachen Sicherheit beschleunigt. Erschreckend ist der harte Umgang der Behörden mit kleinen Umweltsündern und der freundliche Umgang mit Firmen wie Stocamine und Rhodia.

Abwärmenutzung bei der Müllverbrennung Bremgarten (TREA Breisgau)

Am 25 September war offizieller erster Spatenstich bei der Müllverbrennungsanlage in Bremgarten, obwohl noch kein Konzept für die Abwärmenutzung vorlag.

Bei dieser MVA fallen ca. 60 Megawatt Abwärme pro Jahr an. Das Problem ist wohl, dass sich unter 60 MW niemand etwas vorstellen kann. Ein einziges MW entspricht 870 000 Litern Heizöl (!). Mit offenen Briefen an die zuständigen Behörden und mit Pressearbeit haben wir versucht, Öffentlichkeit herzustellen, um die gigantische Abwärmeverschwendung zu verhindern. In unseren Stellungnahmen zur MVA haben wir viele Aspekte kritisiert. Eine Müllverbrennung ohne Wärmenutzung im "um-weltbewussten Breisgau" aber wäre nach unserer Ansicht tatsächlich ein Rückfall in die umweltpoli-tische Steinzeit. Nach vielfältigen Aktionen haben wir jetzt den Eindruck, dass sich langsam etwas tut in Sachen Abwärmenutzung Bremgarten. Wir werden uns in dieser Sache weiter engagieren.

Atommüll am Rheinfall

Zum Jahresende 2002 legte sich die NAGRA auf den Standort Benken am Rheinfall fest. Nachdem die Atomlobby im Kanton Nidwalden eine Abfuhr erhalten hatte und dort keinen Müll lagern darf, besteht jetzt die Gefahr, dass der gesamte Atommüll der Schweiz tatsächlich in einer nur 120 Meter (dünnen) Schicht Opalinuston für eine Million Jahre gelagert werden soll. Nach Ansicht kritischer Geologen eine Gefahrenquelle für Mensch und Natur und alle Rheinanlieger. Doch am Hochrhein und Bodensee regt sich der Widerstand. Eine Dachorganisation der Kritiker wurde gegründet, wohl auch ein Erfolg vieler BUND Veranstaltungen in der Region.

Plenum Gebiet Kaiserstuhl

Der Kaiserstuhl wurde Plenum Gebiet. Plenum steht für "Programm zur Erhaltung und Entwicklung von Natur und Umwelt". Fünf mal 400.000 Euro wird alleine das Land beisteuern und fünf mal 200.000 Euro sollen aus der Region kommen. In der Planungsphase war die Einbeziehung der Umweltverbände und der Bio-Landwirtschaft "vorsichtig ausgedrückt" nicht optimal. Ob sich dies in der Umsetzungsphase ändert, ist offen. Kritiker meinen, Plenum sei ein "Projekt des Landes zur Umverteilung von Naturschutzgeldern für die notleitende konventionelle Landwirtschaft, die Wirtschaftsförderung und den Tourismus". Plenum könnte eine Chance für die Natur am Kaiserstuhl sein. Was aus Plenum wird, liegt auch in unseren Händen.

Wir haben uns natürlich auch mit vielen anderen regionalen Themen beschäftigt, u.a. mit der Neubautrasse der Bahn, wo wir uns für flächensparende Varianten engagieren. Auch die Themen

Fessenheim, Katastrophenschutz, Dampferzeugeraustausch, Integriertes Rheinprogramm (IRP), Hochwasserschutz, Flächenverbrauch und die "Verscheußlichung" des Breisgaus standen auf unserer Tagesordnung.

Axel Mayer


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2023 Lützerath - 1974-1975 Wyhl und Marckolsheim / Für Leben und Zukunft


Lützerath / Trotz alledem


Aufhalten konnten wir die Räumung nicht. Die atomar-fossilen Seilschaften und die Atom- und Klimakatastrophen-Verantwortlichen haben sich und uns in Lützerath wieder ein kleines Stück zu Tode gesiegt. Und dennoch war der gewaltfreie Kampf sinnvoll und notwendig. Er ist Sand im Getriebe der Weltzerstörung. Und ein Sandkorn kann ähnlich wie der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Sturm entfachen.
Axel Mayer



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