2023 / Blühstreifen - Ackerrandstreifen: Lob & Kritik


Veröffentlicht am 13.01.2023 in der Kategorie Landwirtschaft von Axel Mayer

Blühstreifen - Ackerrandstreifen: Lob & Kritik


Fossilienfunde zeigen: In den vergangenen 540 Millionen Jahren gab es fünf Mal gewaltige Artensterben.Forscher sehen eine aktuelle, menschengemachte, sechste Welle in vollem Gange. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen zur Artenvielfalt sterben täglich bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten aus. Der Mensch im Anthropozän hat auf die Artenvielfalt also langfristig eine "ähnlich verheerende" Wirkung wie der große Meteor-Einschlag vor 65 Millionen Jahren. Eine der Hauptursachen für das globale und bundesweite Artensterben, für das Aussterben von Insekten und dem damit verbundenen massiven Rückgang der Vögel, sind die industrielle Landwirtschaft, Agrargifte, Dünger und die Betonierung und Ausräumung der Landschaft.

Neben dem Klimawandel ist die Artenausrottung eines der größten, menschengemachten Probleme. Das Bewusstsein für dieses Problem steigt. Aus diesem Grund werden vielfältige Gegenstrategien diskutiert. Manche dieser Gegenstrategien könnten der bedrohten Vielfalt helfen, manche Maßnahmen sind Greenwash, andere zumindest gut gemeint.


Blühstreifen / Ackerrandstreifen
Blühstreifen sind mit Saatgut von bunt blühenden Pflanzenarten eingesäte Streifen Land, zumeist am Rande eines Ackers, einer Straße oder in den Dörfern und Städten. Sie sollen der Förderung der lokalen Biodiversität dienen. Blühstreifen werden häufig von Landwirten und Kommunen angelegt.

Lob der Blühstreifen / Ackerrandstreifen


Grundvoraussetzung für einen guten Blühstreifen sind:
-Keine Einwirkung von Agrargiften
-Blühstreifen müssen breit und nicht nur optische Kosmetik sein
-Aussaat von regionalem/örtlichem Saatgut
-Keine zu frühe Mahd / mehrjährige Blühstreifen sind ökologisch wertvoller
-Die PR und Öffentlichkeitsarbeit sollte nicht mehr Geld kosten als die Anlage des Blühstreifens selber

Kritik der Blühstreifen
Viele der heutigen Blühstreifen sind bedauerlicherweise bestenfalls "gut gemeint". Im schlechtesten Fall sind sie Todesfallen für Insekten.
"Global 2000" hat Blühstreifen auf Agrargifte untersucht und sagt: "Von 24 Pflanzenproben, die genommen wurden, waren über zwei Drittel (71 %) mit Pestiziden belastet. Insgesamt wurden 34 verschiedene Wirkstoffe nachgewiesen - 8 Insektizide, 6 Herbizide und 20 Fungizide. Pro Probe wurden durchschnittlich 3,2 verschiedene Pestizide gefunden, mit einer Maximalanzahl von 10 Wirkstoffen in einer einzelnen Probe. Auch wenn die gefundenen Pestizidmengen großteils gering waren, zeigen die Rückstände doch, dass sich Pestizide durch Abdrift ungewollt großräumig in der Umwelt verteilen und auch in Gebiete vordringen, die nicht mit Pestiziden behandelt werden. So kann der, für Schmetterlinge und andere Bestäuber so wichtige Blühstreifen, im Fall einer Pestizidbelastung zur gefährlichen Giftfalle werden."
Die verheerende Fernwirkung von Agrargiften, insbesondere von Neonicotinoiden, betrifft selbstverständlich auch die anderen "fern-begifteten" Biotope, Hecken und Bäume.

Die Arten-Zusammensetzung von Blühflächen und die verwendeten Samenmischungen sind sehr unterschiedlich und häufig auch ungeeignet. Die Kurzfassung einer kritischen Veröffentlichung des Bochumer Botanischen Vereins „Schmetterlingswiese, Bienenschmaus und Hummelmagnet“ sagt: "Als Maßnahme gegen das „Insektensterben“ werden Samentütchen im Handel angeboten oder von Firmen und Behörden verteilt, die im Garten, aber auch in der freien Landschaft, ausgestreut werden. Häufig wird dies von Naturschutzverbänden unterstützt. Der Inhalt dieser Tütchen ist in der Regel nicht dokumentiert und besteht in vielen Fällen aus nicht-einheimischen, einjährigen Arten, die zu keinem nachhaltigen, positiven Effekt in der Natur führen und höchstens den häufigen Insektenarten nützen."



Die Ursachen für das große Artensterben sind vielfältig und doch lassen sie sich zu einem Bild zusammen fügen. Wir leben in einer Zeit der global organisierten Gier und einer Endzeit exponentiellen wirtschaftlichen Wachstums im begrenzten System Erde und verwandeln die vielfältige Welt in eine große einheitliche Fabrik. In eine Agrar-Fabrik, eine Fabrik-Fabrik, eine Konsum-Fabrik und eine Wohn-Fabrik, in der zunehmend übersättigte Menschen immer unzufriedener werden. Gerade das globalisierungsgetriebene Sterben der kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe beschleunigt das Artensterben. Dennoch können und sollten wir auch mit kleinen, gut durchdachten und gut gemachten Maßnahmen gegensteuern.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass "gut gemachte", große, giftfreie Blühstreifen und Ackerrandstreifen tatsächlich einen kleinen Beitrag zur Förderung der lokalen Biodiversität leisten können.

Sie dürfen aber nicht davon ablenken, dass ein Verbot von Neonicotinoiden und Glyphosat, der Widerstand gegen die politisch gewollte große, globale Agrarfabrik und dieErhaltung kleiner und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe (insbesondere Biobetriebe) der Artenvielfalt wesentlich stärker nützen, als Blühstreifen und Samentütchen. Was (nicht nur) in unserer Landschaft verloren geht, ist die Vielfalt.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein




Wem helfen einjährige Blühstreifen? / Text: Dr. Henner Wenzel
Dass Blühstreifen auf Böden, die mit Neonicotinoiden aus dem Vorjahr belastet sind, oder die an mit Neonics behandelte Flächen angrenzen, wegen der Wasserlöslichkeit und der extrem starken Neuro-toxizität dieser Wirkstoffklasse eigentlich Insektenfallen sind – diese Vermutung wird von Fachleuten zumindest nicht bestritten , schon gar nicht widerlegt.

Nun trifft diese Konstellation möglicherweise für die meisten Blühstreifen nicht zu. Was aber gerade Blühstreifen auf landwirtschaftlichen Flächen (Stichwort FAKT E 2.1) zur Insektenfalle macht, ist die Vorschrift, dass diese bei der hoch geförderten einjährigen Begrünung noch im selben Jahr, in dem die Pflanzen geblüht haben, umgebrochen werden müssen. Soweit da tatsächlich insektenfreundliche Blühpflanzen ausgesät waren, wie z.B. Malven, wird der gesamte daran lebende Bestand (z.B. die Raupen des Malven-Dickkopffalters) durch das vorgeschriebene Unterpflügen im selben Jahr vernichtet.
Dass hier nicht den Insekten, sondern in erster Linie dem Image der Landwirtschaft und der Kommunen geholfen werden soll, zeigt sich am deutlichsten in dem völlig unregulierten Bereich, wo Ortseinfahrten mit vor allem schön bunten „einjährigen Blumenwiesen“ geschmückt werden. „Schmetterlingswiese, Bienenschmaus und Hummelmagnet“ ist der Titel einer kritischen Veröffentlichung des Bochumer Botanischen Vereins, der im Internet gut findbar ist. Bunte Neophytenfluren und oft wenig geeignete „Bienenhotels“ aus dem Baumarkt dienen dem guten Gewissen der Käufer und Anwender, für die Stabilisierung einer hoch biodiversen Insektenpopulation sind sie eher kontraproduktiv.

Unter dem Strich sehen wir in Sachen „Blühstreifen“ viel Populismus und wenig Naturschutz – im Gegenteil: Sehr wahrscheinlich schadet dieser teure Aktionismus den Insekten mehr als er ihnen nützt.
Sinnvoll wäre aus unserer Sicht, die noch zugelassenen Neonicotinoide aus dem Verkehr zu ziehen, ihre in der Pipeline befindlichen Nachfolgeprodukte nicht zuzulassen und die Umstellung auf Bio-Landbau auf allen Ebenen zu beschleunigen.

Die bisherige Form der Förderung einjähriger Blühstreifen müsste umgehend eingestellt und durch eine verbesserte Förderung der mehrjährigen Brachenbegrünung (E 7) ersetzt werden.
Und nur eine zwingende Zertifizierung von Samenmischungen, die innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft unter dem Label „insektenfreundlich“ in den Vertrieb kommen, könnte sicherstellen, dass hier nur regional angepasstes, gebietsheimisches Saatgut zum Einsatz kommt, welches in erster Linie dem Schutz von Insekten dient, anstatt nur das Auge des Betrachters zu erfreuen.
Es kann nicht sein, dass wir Steuergelder zur Neophytenbekämpfung ausgeben, während gleichzeitig viele Kommunen (und Private) ungehindert neophytenreiche „Blühmischungen“ ausbringen – viele davon glauben wahrscheinlich wirklich, den Insekten damit zu helfen.

Und wenn die zuständigen Behörden eh schon wissen, dass die einjährige Brachenbegrünung in heutiger Form ein Schuss in den Ofen war, dann müssen sie diesen Unfug sofort einstellen und können ihn nicht einfach weiterlaufen lassen, bis aus Brüssel was Neues kommt!


Landwirtschaft: Bauernsterben, grüne Kreuze, Mais, Vermaisung, Gift, Grundwasser, Gentechnik, Grüne Kreuze & Maiswurzelbohrer auf Mitwelt.org

Nicht ein "Mangel an Gift, Nitrat & zu viele Vorschriften bei der Massentierhaltung" sind die Gründe für die massiven Probleme der Landwirtschaft, sondern der massive Druck durch die Globalisierung und der von Bauernverbänden, Agrarkonzernen, von FDP, CDU, CSU & AfD gewollte Zwang zur großen globalen Agrarfabrik, der unerfüllbare und zerstörerische Traum vom ewigen Wachstum.




Landwirtschaft, Landschaft, biologische Vielfalt: Globalisierungsverlierer