Amitié franco-allemande: 60 Jahre Élysée-Vertrag / 50 Jahre grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Umweltbewegung am Oberrhein


Veröffentlicht am 19.10.2023 in der Kategorie Umweltgeschichte von Axel Mayer

Amitié franco-allemande: 60 Jahre Élysée-Vertrag / 50 Jahre grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Umweltbewegung am Oberrhein


Am 22. Januar 1963 wurde der deutsch-französische Freundschaftsvertrag (Élysée-Vertrag) von Bundeskanzler Konrad Adenauer und vom französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle unterzeichnet. Dieses wichtige Abkommen hat Deutsche und Franzosen nach den Schrecken des Ersten und Zweiten Weltkriegs ein wichtiges Stück zusammengeführt.

Wenn jetzt überall an 60 Jahre Élysée-Vertrag erinnert wird, dann ist das zumeist eine "von oben nach unten Erzählung mit folkloristischem Beiwerk". Wir wollen an das von uns fünfzig Jahre lang erkämpfte, immer gefährdete Europa der Menschen, an das "Europa von unten am Oberrhein" erinnern. Ein Europa, zu dem für uns immer auch die Schweiz zählte.

Auf den besetzten AKW-Bauplätzen inWyhl (D), Kaiseraugst (CH) und Gerstheim (F)
haben wir drei Jahrzehnte nach Kriegsende den europäischen Traum vom grenzenlosen Europa geträumt und erkämpft und im Jahr 2020 grenzüberschreitend die Abstellung des Pannenreaktors in Fessenheim erreicht. Wir haben die realen und die inneren Grenzen und die alte, verlogene "Erbfeindschaft" überwunden, Bauplätze und Brücken besetzt, Gifteinleitungen in Rhein und Luft abgestellt, für Leben und Zukunft gekämpft und gemeinsam viele ökologische Gefahren am Oberrhein abgewehrt. Und dies immer alles ohne europäische Fördertöpfe und Interreg-Gelder.

Dort wo nicht auf unsere Kritik gehört wurde, wie bei der Giftmülldeponie Stocamine, kommt das die Allgemeinheit heute teuer zu stehen.
Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit war immer eine Sache auf Gegenseitigkeit. Schon 1970 haben sich die AKW-GegnerInnen in Kaiseraugst und Fessenheim organisiert, 1971 dann die badischen PartnerInnen in Breisach, 1973 in Wyhl. Elsässische und Schweizer Aktive brachten wesentliche Ideen und Erfahrungen über die Grenze herüber nach Breisach und Wyhl, und nirgendwo wurde jemals nach der Staatsangehörigkeit gefragt. Der alemannische Dialekt hat in diesen frühen Konflikten immer eine wichtige Rolle gespielt. Wir waren stets selbstbewusst, trinational "provinziell". Ohne die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hätten wir an keinem der besetzten Plätze Erfolg gehabt und der Giftmüllofen in Kehl wäre nicht verhindert worden.
Auf den besetzten Bauplätzen in Wyhl, Marckolsheim, Gerstheim und Heiteren und bei vielen Demos und Aktionen wurde die alte deutsch-französische "Erbfeindschaft" überwunden. Auch hier entstand das Europa der Menschen.

Einige der vielen Wurzeln Europas und der deutsch-französischen Aussöhnung,
aber auch eine Wurzel der heutigen Klimaschutzbewegung liegt im elsässischen Marckolsheim. Hier haben wir 1974 den Bauplatz eines extrem umweltvergiftenden Bleiwerks besetzt und die Vision vom grenzenlosen Europa gesponnen. François Brumbt sang auf dem besetzten Platz:"Mir keije mol d Gränze über de Hüfe und danze drum erum". Als endlich die Schlagbäume zwischen Frankreich und Deutschland fielen, hatten wir, wieder einmal, eines unserer Ziele erreicht.

Seit dieser Zeit erleben wir am Oberrhein immer wieder, wie geschickt, gezielt und erfolgreich in ökologisch-ökonomischen Konflikten (Fessenheim-Abstellung, Atommüll Schweiz, Flugplatz Zürich ...) die Menschen gegeneinander ausgespielt werden, während gleichzeitig das Hohelied des Élysée-Vertrages, der Regio und wuchernden Metropolregion gesungen wird.

Immer wieder überlagern alte und neue, geschickt geschürte (noch kleine) Nationalismen und traurige Feindbilder auf beiden Rheinseiten die Europa-, Regio- und Dreyeckland-Mythen und diese Feindbilder werden aus ökonomischen Gründen gezielt aufgebaut. Erschreckend ist nicht, dass Konzerne und Lobbyisten versuchen, uns gegeneinander auszuspielen. Erschreckend ist, dass die "nationale Karte" immer noch häufig sticht und sich auch in Wahlergebnissen ausdrückt.

Um so wichtiger ist unser Europa von unten, abseits aller Verträge und europäischer Fördertöpfe, Metropolregion-Pläne und Interreg-Gelder. Bei der Stocamine, beim Hochwasser- und Naturschutz am Rhein, beim regionalen Klima- und Artenschutz. Überall wo sich in Zeiten zunehmender ökonomischer, ökologischer und sozialer Krisen Menschen grenzüberschreitend für Mensch, Natur, Umwelt, Zukunft, Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und Freiheit engagieren.

60 Jahre Élysée-Vertrag sind ein guter Anlass, um zu feiern, um gleichzeitig aber auch das stets gefährdete "Europa der Umwelt und der Menschen" zu thematisieren.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-)BUND Geschäftsführer, Kreisrat, Vorstandsmitglied TRAS


Beispiele:


  • Bei der polizeilichen Räumung des besetzten Wyhler Platzes ließ Ministerpräsident Filbinger gezielt nicht die vielen anwesenden Kaiserstühler, sondern "Elsässer und Langhaarige" verhaften, um zu "beweisen", dass der Wyhl-Protest von "Ausländern und städtischen Chaoten" gelenkt wird.

  • Beim Protest gegen den geplanten Giftmüllofen in Kehl empörten sich deutsche CDU-Politiker über die "französische Einmischung".

  • Vor der friedlichen und großen Fessenheim-Kundgebung mit ca. 10000 TeilnehmerInnen in Colmar, am 3. Oktober 2009, hatten der Bürgermeister von Colmar Gilbert MEYER und der Präfekt Pierre-André PEYVEL vor den „deutschen Randalierern“ gewarnt, um die Menschen im Interesse der EDF grenzüberschreitend gegeneinander auszuspielen und um möglichst viele Aktive von einer Teilnahme abzuschrecken...
  • Nach der erfolgreichen, friedlichen und machtvollen Kundgebung, mit ca. 70 bis 80% französischen AktivistInnen, sprach Präfekt Pierre-André PEYVEL von einer "deutschen Invasion" (Quelle: Der Sonntag 04.10.09), um so gezielt böse Assoziationen und Erinnerungen zu wecken.
  • Immer noch werden die problematischsten und gefährlichsten Anlagen gerne an die Grenze gebaut, um nationale Vorteile zu genießen und Risiken international zu verteilen. Aktuell zum Beispiel beim geplanten grenznahen Atommülllager der Schweiz.

  • Vor der Fessenheim-Abstellung" im Jahr 2020 setzten rechtskonservative Politiker wieder gezielt auf die "Nationale Karte", um eine gewinnbringende Gefahrzeitverlängerung für das AKW durchzusetzen.



Links:


Protest & Bauplatzbesetzung: Wyhl, Kaiseraugust, Marckolsheim, Gerstheim


"Wenn das AKW Wyhl nicht gebaut wird, gehen in Baden-Württemberg die Lichter aus", sagte Ministerpräsident und Marinestabsrichter a.D. Hans Filbinger 1975. „Wenn wir die letzten drei AKW abschalten, gehen in Deutschland die Lichter aus“, drohen die atomar-fossilen Seilschaften heute. Die Zeiten ändern sich, aber die perfekt organisierten und immer wirksamen Angstkampagnen bleiben.
Axel Mayer





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2023 Lützerath - 1974-1975 Wyhl und Marckolsheim / Für Leben und Zukunft


Lützerath / Trotz alledem


Aufhalten konnten wir die Räumung nicht. Die atomar-fossilen Seilschaften und die Atom- und Klimakatastrophen-Verantwortlichen haben sich und uns in Lützerath wieder ein kleines Stück zu Tode gesiegt. Und dennoch war der gewaltfreie Kampf sinnvoll und notwendig. Er ist Sand im Getriebe der Weltzerstörung. Und ein Sandkorn kann ähnlich wie der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Sturm entfachen.
Axel Mayer



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  • 3) Im Zweifel, gerade in Kriegszeiten, ist die -Allgemeine Erklärung der Menschenrechte- immer noch eine gute Quelle zur Orientierung.

Axel Mayer Mitwelt Stiftung Oberrhein
Mit Zorn und Zärtlichkeit auf Seiten von Mensch, Natur, Umwelt & Gerechtigkeit.


Getragen von der kleinen Hoffnung auf das vor uns liegende Zeitalter der Aufklärung (das nicht kommen wird wie die Morgenröte nach durchschlafner Nacht)



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